Libanesischer Club mit Friedensauftrag
Wie viele junge Berufstätige im Libanon war auch Anhal Kozhaya bereit, seinen Platz in der jüngsten Generation einzunehmen, die vor den Problemen des Landes flieht - diesmal nicht vor dem Krieg, sondern vor einer Wirtschaftskrise, die zu weit verbreiteter Armut, sozialen Unruhen und einem Zusammenbruch der öffentlichen Dienste geführt hat. Dann überlegte er es sich anders.
"Rotary ist, ehrlich gesagt, das, was mich hier im Libanon gehalten hat", sagt der 22-Jährige, der als Verwaltungsangestellter bei der britischen Botschaft in Beirut arbeitet. "Rotary hat mich motiviert und inspiriert und ich wollte immer mehr für mein Land tun. Wäre das nicht der Fall, hätte ich dieses Land schon vor langer Zeit verlassen und würde nicht daran denken, zurückzukommen".
Kozhaya ist Präsident des Rotary Clubs Beirut Pax Potentia, was auf Lateinisch "die Macht des Friedens" bedeutet. Der seit einem Jahr bestehende Club, der sich auf die Friedenskonsolidierung konzentriert, hat seinen Ursprung in einem Projekt, das von einem Grant der Rotary Foundation gefördert wurde. Ein weiteres bemerkenswertes Merkmal: Die 17 Mitglieder haben ein Durchschnittsalter von 23 Jahren — und gehören damit der Bevölkerungsgruppe an, die den Libanon in großer Zahl verlässt.
Der Libanon, der wegen seines Status als regionales Bankenzentrum einst als die "Schweiz des Nahen Ostens" bekannt war, hat in den letzten fünfzig Jahren eine Welle der Auswanderung erlebt. Diese Migrationswellen begannen mit dem Bürgerkrieg von 1975 bis 1990 und haben sich während der Wirtschaftskrise ab 2019 beschleunigt, die eine dreistellige Inflation ausgelöst, den Bankensektor zum Erliegen gebracht und Millionen in die Armut getrieben hat.
Rotary Clubs im Libanon haben bereits wichtige Dienste geleistet, und der neue Club unterstützt diese Bemühungen durch einen friedensfördernden Rahmen. Seine jungen Mitglieder sind von den Prinzipien des "Positiven Friedens" überzeugt, einem Ansatz, der darauf abzielt, die Institutionen, Einstellungen und Bedingungen zu fördern, die den Frieden gedeihen lassen können.
Die erste öffentliche Veranstaltung des Clubs war eine internationale Konferenz über Jugendliche als Friedensvermittler, die dazu beitrug, Ideen für Projekte zu entwickeln. Der im Juni 2023 gegründete Club trifft sich normalerweise wöchentlich entweder online oder in einem Coworking Space in Beirut. Die Mitglieder sind so engagiert, dass selbst diejenigen, die zum Studieren ins Ausland nach Italien, Malta und Belgien ziehen mussten, sich weiterhin einloggen, wenn sie können.
Vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise ist der Libanon auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem verheerenden Bürgerkrieg nach wie vor entlang konfessioneller Linien tief gespalten. Heute konkurrieren 18 religiöse Fraktionen um die Macht in einem zerrissenen politischen System, in das sich die Nachbarländer fast ständig einmischen.
Die Herausforderungen des Libanon müssen im Zusammenhang mit Positivem Frieden untersucht werden, sagt Kozhaya. "Man kann nicht über die Umwelt sprechen, ohne den Frieden zu berücksichtigen", erklärt er. "Man kann nicht über Frauenrechte, Toleranz, Menschenrechte und die wirtschaftliche Entwicklung von Gemeinwesen sprechen, ohne eine friedensfördernde Perspektive einzubringen."
Im Rahmen eines Projekts besuchten die Clubmitglieder die Maryam and Martha Community, eine Hilfsorganisation für Frauen und Mädchen, die sexuelle und andere Gewalt erfahren haben. Sie sammelten Spenden für die Organisation, darunter Lebensmittel, Hygieneartikel und Kleidung.
Im Februar veranstalteten sie einen Workshop über die Beziehung zwischen Friedensförderung und Theater. Zu den weiteren Zielen des Clubs gehören eine weitere Friedenskonferenz, eine Modenschau mit dem Schwerpunkt auf Inklusion und Vielfalt sowie ein Stipendienfonds mit dem Schwerpunkt Friedensförderung. Die Mitglieder wollen auch Mentoren für Schüler/innen werden.
Setzen Sie Ihren Club für die Friedensförderung ein
Möchten Sie herausfinden, wie sich Ihr Club in der Friedensarbeit engagieren kann? Die Rotary Action Group for Peace bietet Rotary-Mitgliedern Ideen, Ressourcen und Unterstützung bei der Friedensförderung. Beispiele:
- Stellen Sie ein Friedensmahnmal auf und veranstalten Sie eine Einweihungsfeier, um Ihre Mitglieder und Ihr Gemeinwesen für Friedensarbeit und Positiven Frieden zu sensibilisieren.
- Nehmen Sie am kostenlosen Online-Kurs der Rotary Positive Peace Academy teil.
- Durchsuchen Sie die von der Aktionsgruppe zusammengestellte Liste von Friedensprogrammen, die Rotary-Mitglieder in ihren Gemeinwesen einsetzen können, und zwar für alle, von Vorschulkindern bis hin zu Erwachsenen.
- Treten Sie dem Peacebuilder Club-Programm bei und nehmen Sie an Dialogen und Projekten zur Förderung des Positiven Friedens teil.
- Unterstützen Sie die Arbeit von Rotary Peace Fellowship Alumni in Ihrer Region.
- Melden Sie sich als Freiwillige für den Rotary-Jugendaustausch und inspirieren Sie junge Führungskräfte dazu, als Katalysatoren für Frieden und soziale Gerechtigkeit zu dienen.
Die Mentorenschaft älterer Rotary-Mitglieder hat den Club ins Leben gerufen. Mona Jarudi, Mitglied des Rotary Clubs Beirut Cosmopolitan, und ihr Kollege George Beyrouti bewarben sich um ein Global Grant, das jungen Menschen in ihrem Distrikt 2021 friedensfördernde Trainings ermöglicht. Sie arbeiteten mit NewGen Peacebuilders zusammen, einem Programm für allgemeine und berufliche Bildung unter der Leitung von Rotary Peace Fellow Patricia Shafer.
"Der Libanon ist ein multisektorales, stark politisiertes Land, und die Jugendlichen brauchen eine Möglichkeit, ihre Meinung zu äußern, die sich von der ihrer Eltern oder von der ihrer Umgebung unterscheidet", sagt Jarudi. "Die Schüler/innen haben die Themen, die sie bearbeiten wollten, selbst ausgewählt. Und trotz aller Widrigkeiten wie Internetproblemen, Stromproblemen, Treibstoffmangel und so weiter haben diese Schülerinnen und Schüler nie in ihrem Elan nachgelassen."
Jarudi ermutigte einige dieser NewGen-Absolvent/innen, darunter Kozhaya, einen Rotary Club zu gründen. Als das Interesse wuchs, verbrachten die Studierenden und jungen Berufstätigen die Wochenenden in Jarudis Wohnung mit Blick auf Beirut, um die Gründung ihres Clubs vorzubereiten.
Bayan Fakih, 21, ein weiteres Gründungsmitglied, studiert für ihren Master in internationaler Politik in Belgien, nimmt aber dennoch an den Online-Veranstaltungen des Clubs teil. Sie ist überrascht, wie sehr der Club ihre Perspektiven in Bezug auf den Frieden und die Möglichkeiten auf kommunaler Ebene erweitert hat. "Wir sind keine politischen Entscheidungsträger. Wir versuchen, den Menschen in unserer Umgebung, in unseren Gemeinden und sogar in der Welt die Idee des Friedens aus einer greifbaren Perspektive zu vermitteln", sagt sie.
Für Elise Korban, 31, ist der Club ein Ort, an dem sie ihre künstlerischen Interessen mit ihrer Leidenschaft für die Friedensarbeit verbinden kann. Sie arbeitet bei einer gemeinnützigen Menschenrechtsorganisation und hat einen Hintergrund in bildender Kunst, Architektur und Sozialwissenschaften. Korban, die mit ihrem Vater schwierige Gespräche über seine Erfahrungen im Bürgerkrieg geführt hat, glaubt, dass es wichtig ist, dass Künstler dazu beitragen, ein kollektives Gedächtnis für die Geschichte des Libanon zu schaffen. "Unsere Geschichtsbücher hören nach dem Zweiten Weltkrieg auf", sagt sie. "Der Bürgerkrieg steht nicht in den Büchern, weil es unterschiedliche Sichtweisen gibt. Als Künstler sind wir also dafür verantwortlich, diesen Ereignissen ein kollektives Gedächtnis zu geben."
Auch eine gemeinsame Vision der Zukunft ist wichtig. "Ich glaube, dass die Mitglieder von Rotary die Fackelträger sind und Licht in die Gemeinwesen bringen, in denen sie präsent sind", sagt Kozhaya. "Beirut hat viel Gewalt erlebt und ist doch wie ein Phönix aus der Asche aufgestiegen. Unsere Arbeit mit Rotary ist eine Botschaft an alle im Libanon, dass wir die Pflicht haben, im Rahmen des Friedens zu arbeiten."
Aus: Rotary Mai 2024