PolioPlus-Programm überzeugt mit Grundversorgung widerstrebende Gemeinwesen
Khadim Solangi Goth, eine Gemeinde am Rande von Karachi, Pakistan, liegt in einem der letzten verbliebenen Polio-Gebiete der Welt. Mehr als 40.000 Menschen leben hier in improvisierten Behausungen aus Erde oder anderen gefundenen Materialien. Für einige ist ein Baumwolltuch alles, was sie vor der heißen Sonne und dem Monsunregen schützt. "In diesem Gebiet leben die Ärmsten der Armen", sagt Asher Ali, der Projektleiter des Pakistan PolioPlus Committee.
Die Global Polio Eradication Initiative (GPEI) hat Khadim Solangi Goth zu einem ihrer Gebiete mit höchster Priorität erklärt. Und die pakistanische Initiative zur Ausrottung der Kinderlähmung stuft Gadap Union Council 4, den Verwaltungsbezirk, zu dem die Gemeinde gehört, als "sehr hohes Risiko" ein.
Warum verbreitet sich das Poliovirus besonders an diesem Ort so gut? Die Müllberge und offenen Abwasserkanäle sind ein Grund; das Poliovirus wird durch verunreinigtes Wasser übertragen. Ein weiterer wichtiger Faktor ist jedoch die niedrige Impfrate in der Region. In einer Gemeinde, in der die Grundbedürfnisse nicht gedeckt sind, hat die Polioimpfung für die Bewohner keine hohe Priorität. "Die Verweigerung erfolgt nicht aus religiösen Gründen, sondern weil einfache Einrichtungen fehlen", sagt Aziz Memon, Vorsitzender des pakistanischen PolioPlus-Ausschusses. "Sie fragen uns: 'Was macht ihr denn hier? Ihr kommt immer und immer wieder, um uns Polio-Tropfen zu geben. Aber ihr sagt uns nie, wie ihr uns mit Strom, Straßen oder sauberem Wasser helfen wollt."
Dennoch hat das Programm zur Ausrottung der Kinderlähmung in den letzten Jahren an Glaubwürdigkeit gewonnen, dank der Installation von Wasserfilteranlagen in Karatschi und mehreren anderen Gebieten des Landes, darunter in Khadim Solangi Goth im Dezember 2020 - Teil der Bemühungen der GPEI, insgesamt 36 solcher Anlagen in Pakistan zu installieren. Seit 2012 arbeiten die Mitglieder von Rotary über verschiedene Kanäle an der Installation von Anlagen, darunter eine Partnerschaft mit Coca-Cola Pakistan, Global-Grant-Projekte der Rotary Foundation, PolioPlus Partners Grants und Partnerschaften mit Rotary-Distrikten oder anderen Organisationen. Weitere Anlagen befinden sich im Bau oder in der Planung.
Jetzt, wo die Gemeinde Zugang zu sauberem Wasser hat, geben uns die Poliohelfer/innen die Rückmeldung, dass die Mütter ihre Kinder bereitwillig impfen lassen, wenn sie in die Häuser gehen. Die Mitarbeiter haben jetzt einen einfachen Zugang zu dem Gebiet", sagt Ali.
Khadim Solangi Goth zu erreichen, war aufgrund von Sicherheitsbedenken eine Herausforderung gewesen. Doch die Poliohelfer/innen ließen sich nicht beirren. Rotary-Mitglieder trafen sich mit Ältesten, Frauen und anderen Akteur/innen im Gemeinwesen, um herauszufinden, was sie am dringendsten benötigten und wie Rotary helfen konnte. "Sobald wir ihr Vertrauen gewonnen hatten, machten wir weiter", sagt Ali.
Sauberes Trinkwasser war den Bewohner/innen von Khadim Solangi Goth ein wichtiges Anliegen, und so installierten Coca-Cola Pakistan und Rotary in Pakistan - deren jahrzehntelange Partnerschaft Zehntausenden von Menschen im Land sauberes Wasser gebracht hat - eine Wasserfilteranlage in der Gemeinde. Rotary-Mitglieder schulten die Bewohner/innen in der Bedienung und Wartung der Anlage und arbeiteten mit der Gemeinde zusammen, um sie über Hygiene zu informieren. "Wir gewannen allmählich den Respekt der Menschen und erzielten Erfolge", sagt Ali.
Die Arbeit steht im Zusammenhang mit dem neuen Strategieplan der GPEI, der im Juni 2021 anlief. Eines der Ziele ist es, den Fortschritt bei der Ausrottung der Kinderlähmung zu beschleunigen, indem diese Arbeit mit Bemühungen mit anderen Bedürfnisse der Gemeinde kombiniert wird. "Mit anderen Worten, wir konzentrieren uns nicht nur auf die Kinderlähmung allein", erklärt Michael K. McGovern, Vorsitzender des Internationalen Polio-Plus-Ausschusses.
In einem im selben Monat veröffentlichten Bericht wies das Independent Monitoring Board, eine Gruppe von Expert/innen, die die Fortschritte auf dem Weg zu einer poliofreien Welt bewerten, auf die langsamen Fortschritte bei der Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung in Teilen Pakistans hin, die als "besonders risikoreich" gelten. Der Ausschuss forderte Rotary direkt auf, die Kluft zwischen dem Polio-Programm und anderen Programmen und Geldgebern zu überbrücken. "Rotary International genießt hohes Ansehen für seine Fähigkeit, praktische Maßnahmen dieser Art voranzutreiben", heißt es in dem Bericht.
Während die Verbesserung der Wasser- und Sanitärversorgung in diesen Gebieten dazu beiträgt, die Ausbreitung von Polio zu stoppen, trägt die neue Infrastruktur dazu bei, das Wohlwollen für das Polio-Programm zu stärken. "Das passt alles zusammen", sagt McGovern.
Daher das "Plus" in PolioPlus, dem Programm von Rotary, das den Gemeinden über die Impfung hinaus weitere Leistungen wie sauberes Wasser, medizinische Behandlungen, Moskitonetze und Seife bietet. Im Norden Nigerias zum Beispiel sponserten Rotary und seine Partner mehr als 30 solarbetriebene Brunnen, was dazu beitrug, das Vertrauen der gefährdeten Bewohner/innen zu stärken. Die Strategie ging auf: Nigeria meldete 2016 seinen letzten Polio-Fall, und die Weltgesundheitsorganisation erklärte die Region Afrika im Jahr 2020 für frei von wildem Polio.
In Pakistan, so Memon, ergänzen die Rotary-Mitglieder die Wasserprojekte mit Gesundheitscamps, die Familien bei anderen medizinischen Bedürfnissen helfen. "Gesundheitscamps senden auch ein sehr positives Signal", sagt er. "Es zeigt, dass unser Hauptaugenmerk nicht nur auf Polio liegt, sondern auf PolioPlus."
In Zahlen
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40 Mio.
Anzahl der pakistanischen Kinder unter 5 Jahren, die jedes Jahr geimpft werden
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63
Prozent betrug der Anteil der Polio-Fälle in Pakistan im Jahr 2019, die Kinder betrafen, die noch nie eine Grundimmunisierung erhalten hatten
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70
Prozent der pakistanischen Haushalte müssen mit verunreinigtem Wasser leben
In Hassan Brohi Goth, einer anderen Gemeinde im Großraum Karatschi, verdienen viele Menschen ihren Lebensunterhalt mit der Herstellung von Ziegeln in Brennöfen. Ein rauchiger Dunst umhüllt das Gebiet und verschlimmert die Atembeschwerden der eh gesundheitlich angeschlagenen Bewohner/innen. In der Gemeinde gibt es keine medizinischen Einrichtungen. Das Trinkwasser kommt aus einer kaputten Rohrleitung, sodass es nicht mehr trinkbar ist, oder von Händler/innen, die mehr Geld verlangen, als sich viele Menschen leisten können.
Rotary-Mitglieder arbeiteten mit einem Brennofenbesitzer zusammen, um einen Standort für eine Wasserfilteranlage zu finden. Die Anlage, die im Rahmen eines Global Grants der Rotary Foundation installiert und von den Rotary Clubs Karachi und Maysville (North Carolina, USA) gesponsert wurde, ging im August in Betrieb.
"Durch die Wasserfilteranlage haben wir Glaubwürdigkeit und das Vertrauen der Menschen gewonnen", sagt Ali. "Die Menschen kennen uns. Das macht mich sehr glücklich. Die Polio-Teams, ob von der WHO oder der Regierung, sind alle willkommen."
Aus: Rotary Magazine, Ausgabe Dezember 2021